Sommerfrau

Die Halme der leuchtend grünen Gräser biegen sich im warmen Sommerwind. Er weht durch sie hindurch, wirbelt um sie herum und beugt sie, nur damit sie sich gleich darauf wieder erheben, um weiter mit dem Element zu tanzen. Es ist ein schier endloses Spiel zwischen Hingabe und Widerstand, um dann in der zarten und zugleich kraftvollen Wahrhaftigkeit zu bestehen.

Auf einem sanft geschwungenen Hügel, neben einer grossen, alten Linde beobachtet die Sommerfrau den Tanz zwischen Wind und Wiesen und bestaunt die Böen, die wie Wellen über das Gras rollen und ihr Blick geht unwillkürlich in die Unendlichkeit des Horizonts, wo die Strömungen herkommen. Die letzten Sonnenstrahlen dieses Abends berühren die Landschaft und verlieren sich langsam. Am Himmel erscheinen die ersten Sterne.

Fest verwurzelt steht sie da und über ihre blossen Füsse spürt sie ganz deutlich den Herzschlag von Mutter Erde, der über ihre Sohlen in sie hineinströmt. Dankbar geniesst sie das Gefühl der Einheit, während der Wind noch etwas stärker wird, an ihren Haaren zupft und zieht. Gehalten von der Erdkraft geniesst sie die entstehende Weite im Herzen, das Gefühl von Grenzenlosigkeit und Freiheit.

Lange steht sie noch so da, den Sommerduft atmend auf ihrem Aussichtspunkt neben dem starken Baum, während der volle Mond bereits am Himmel steht und sich die Gestirne magisch glitzernd in ihren Augen spiegeln. Sie ist gehalten und getragen von der Kraft von Mutter Erde unter ihr, beschützt und inspiriert von Vater Himmel über ihr. – Und in ihr: ein weites, friedvolles Herz.

Vielleicht siehst du die Sommerfrau ja in diesen Tagen auf einem Hügel stehen? Oder im Wald? Vielleicht an einem Bach? Aber vielleicht möchtest du ja selbst zum Sommerwesen werden, dich mit Himmel und Erde verbinden und dein Herz ganz weit werden lassen...

Tamara Schär