Reisebericht Ägypten im arabischen Frühling 2011

Ein Teil meines Herzens wird immer in Ägypten bleiben.

 

Vorwort:

Nach all den letzten Monaten der Sterbebegleitung und Trauerarbeit von Mami habe ich mich sehr auf diese Reise gefreut. Endlich mal ausspannen und meinem Körper die Möglichkeit geben, sich von den Anstrengungen zu erholen und die wunderbaren Orte der Kraft zu besuchen und mich mit ihnen zu verbinden. So packe ich am Dienstag, 25. Januar 2011, meine Koffer und geniesse die Gesellschaft von Tigi. Tigi ist eine Katze, die in meinem Herzen einen grossen Platz hat, aber eigentlich bei einem Nachbarn weiter oben im Quartier wohnt.

Jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, steht sie vor der Tür und kuschelt sich an mich, eine Liebe ohne Erwartungen und ohne Bedingungen. Ich verbinde ihre Energie mit Ägypten und nenne sie oft meine ägyptische Katze. Kurz gesagt, bis ich am Mittwoch abreise, legt sie sich immer wieder auf meinen Koffer und gibt mir zu verstehen, dass sie nicht will, dass ich gehe.

Am Mittwoch fliege ich nach München und treffe mich mit Sabine, um mit ihr essen zu gehen, bevor ich am 27. Januar nach Kairo aufbreche.

 

Reisebericht:

Kairo, Donnerstag, 27. Januar 11

Mir wird immer warm ums Herz, wenn ich in anderen Ländern ankomme, so auch hier. Ich habe das Glück, in der Schweiz geboren zu sein, aber ich fühle mich nicht nur als Schweizerin, sondern als Weltbürgerin. Ich glaube daran, dass wir alle eins sind, das heisst, dass wir alle aus der gleichen Quelle kommen und jeder ein Teil des anderen ist. Wenn ich also sage, ich bin Schweizerin, dann ist alles ausserhalb der Schweiz Ausland, und das empfinde ich für mich nicht so.

Nach dem Abendessen mit der Gruppe gehe ich früh ins Zimmer, um mich auf den Besuch der Pyramiden von Gizeh vorzubereiten.

 

Freitag, 28. Januar 11

Orte wie Stonehenge, Carnac, Gizeh und Chartres stehen für geniale Bauwerke mit geheimnisvoller Symbolik und vielfältigen Bezügen zu Erde und Kosmos. Die Meridianlinien unseres Körpers sind mit den Leylines (Gitternetzlinien unseres Planeten) verbunden. An den Kreuzungspunkten der Leylines befinden sich oft Kraftorte alter Hochkulturen, wie z.B. Stonehenge oder die Pyramiden von Gizeh.

Die Gitternetzlinien sind so angelegt, dass sie uns mit einem viel grösseren Gitternetz zusammenhängen, das uns mit dem gesamten Universum verbindet.

An anderen Tagen muss es bei den Pyramiden sehr voll sein. Das gab mir die Gelegenheit in die Stille zu gehen und die Energien in Ruhe auf mich wirken zu lassen und mich mit den Plätzen an anderen Orten zu verbinden, an denen ich auch schon mit Lichtsäulen gearbeitet habe.

Nach dem Mittagessen fahren wir zurück ins Hotel, mitten durch eine Gruppe von Regierungsgegnern, die auf dem Weg zum zentralen Tahir-Platz im Herzen der ägyptischen Hauptstadt sind. Noch ist alles friedlich, die Demonstranten winken uns zu, viele heben den Finger zum Peace-Zeichen.

Freiheit und Gerechtigkeit für die Ägypter, das ist der Ruf und das Anliegen der Menschen hier. Sie alle haben meine volle Sympathie.

Mitten im Zentrum von Kairo, im Sheraton bin ich dankbar für mein Zimmer im 13. Stock, das gibt mir ein sicheres Gefühl. Ab heute Abend sind wir vom Internet und teilweise auch vom Telefon abgeschnitten.

 

Samstag, 29. Januar 11

Direkt unter meinem Hotelzimmer haben sich gestern Abend viele Demonstranten versammelt, Polizeiwagen und Autos sind ausgebrannt und es gab Verletzte.

Ich habe gelernt, dass ich immer genau am richtigen Ort bin. So nutze ich meine freie Zeit, um von meinem Balkon aus, tief aus meinem Herzen, mit Gebeten Frieden und Freiheit in diese Situation zu senden.

Wir sitzen im Hotel fest, unser Reiseleiter klärt, ob wir heute noch einen Flug nach Luxor bekommen, um unsere Reise fortzusetzen. Vom Balkon aus sieht man Rauchschwaden aufsteigen, Dunst liegt über der Stadt.  

Ich bin live dabei, an einem Tag, der sehr geschichtsträchtig ist und der Ägypten verändern wird. Schalom.

Wir verlassen Kairo, zwei Tage früher als geplant, fliegen weiter nach Luxor, wo es ruhig sein soll.

Wie schön ist es, vor dem Schlafengehen auf dem Sonnendeck der Queen Hansa einen Whisky zu geniessen. Ich bin allein oben und es scheint, als würden die Sterne am Himmel nur für mich leuchten.

 

Sonntag, 30. Januar 11

Das Motorengeräusch des angelegten Schiffes weckt mich vor Sonnenaufgang. Ich geniesse meinen ersten Kaffee und nach dem Frühstück besichtigen wir Karnak und finden eine fast menschenleere Tempelanlage vor. Keine Polizei, kein Militär, ein Platz mit ganz wenigen Bussen für Reisegruppen. Ganz deutlich wird uns bewusst, dass wir schutzlos und im Falle eines Überfalls den Banditen und Plünderern völlig ausgeliefert sind. So fahren wir nach der Besichtigung mit zugezogenen Vorhängen zum Schiff zurück, um nicht zur Zielscheibe zu werden.

Nach dem Mittagessen kehrt eine unheimliche Ruhe ein, auf dem ganzen Schiff sind alle Vorhänge zugezogen, das Licht brennt nur gedämpft, wir sind die einzigen Touristen beim Essen.

Der Reiseleiter verhängt eine Ausgangssperre, wir dürfen die Queen Hansa nicht mehr verlassen. Das Reisebüro in München versucht unseren Flug umzubuchen, damit wir schnellstmöglich das Land verlassen können. Um 17 Uhr ist Treffpunkt an der Rezeption, wir erfahren, dass wir am Montagmorgen sehr früh abfliegen können. Nach dem gemeinsamen Abendessen wird der Wecker auf halb vier gestellt.

Bei der Einreise habe ich mir zollfrei eine Flasche Whisky gekauft und die Gruppe dazu eingeladen. Die Flasche wird im Kreis herumgereicht und beinahe leer getrunken. Den Rest überlasse ich dem Manager des Schiffes. Ein letzter Blick über den Nil und in den Sternenhimmel, denn es ist Zeit, schlafen zu gehen. Es wird eine sehr kurze Nacht.  

 

Montag, 31. Januar 11

Frühmorgens wartet der Bus vor dem Schiff, in den Strassen von Luxor sind Panzer, in der Nacht waren Schüsse zu hören. Der Flughafen ist brechend voll, schon um 6 Uhr morgens. Alle wollen oder müssen Ägypten verlassen, keiner weiß genau wie und wann.

Am Schalter ist ein Kampf um ein Ticket im Gange, die Stimmung wird immer angespannter. Am Abend erhält unsere Gruppe Tickets nach Kairo, wo wir mitten in der Ausgangssperre ankommen. Der kurze Weg zum Hotel wird zu einer beängstigenden Fahrt. Alle zweihundert Meter werden wir angehalten und nur mit einem Codewort bringen uns unser Reiseleiter und der Busfahrer durch die Strassensperren.

Seit Beginn meiner Reise habe ich immer wieder die Engel links, rechts, vorne und hinten gebeten, uns zu begleiten und zu beschützen. So auch auf dieser Fahrt. Nach zwanzig Stunden kommen wir um 23 Uhr im Hotel an, essen noch eine Kleinigkeit und legen uns für ein paar Stunden hin.

Unser Reiseleiter, verabschiedet sich von uns, er fährt mit einer vom Hotel gemieteten Limousine durch die Strassensperren ca. 60 km zurück zu seiner Familie. Für den Bus gibt es auf der Autobahn kein Durchkommen, da tausende entflohene Häftlinge aus einem nahegelegenen Gefängnis auf die Autobahn gestürmt sind und versuchen, Autos zu kapern.

Dank Nabils Einsatz bis zur Erschöpfung seiner Kräfte waren wir die ganze Zeit unter seinem Schutz und seiner fachkundigen Führung, ein wahrer Könner seines Faches und ein liebenswerter Mensch. Möge seine Heimreise gesegnet und sicher sein.

 

Dienstag, 1. Februar 11

Nach vier Stunden Schlaf erreichen wir frühmorgens den Flughafen von Kairo. Viele Passagiere haben hier die Nacht auf dem Boden verbracht, auch die Lebensmittelläden sind leer.

Innerhalb von 20 Minuten füllt sich die ganze Halle mit Tausenden von Menschen, die Stimmung beginnt zu brodeln. Umkippen ist unmöglich, dafür ist kein Platz. Tausende Touristen und Einheimische wollen Ägypten so schnell wie möglich verlassen. Auf dem Flughafen von Kairo herrscht Ausnahmezustand. Eine Durchsage ertönt, Stimmengewirr, helle Aufregung. Immer wieder diskutieren Menschen mit den Mitarbeitern der Fluggesellschaften, die Stimmung ist aggressiv. Alle wollen nur eines: das Land verlassen - so schnell wie möglich.

Plötzlich eskaliert die Situation an den Schaltern der ägyptischen Fluggesellschaft Egypt Air, die seit dem Wochenende den gesamten Flugverkehr eingestellt hat: Menschen treten Türen ein, im Kampf um Informationen und Flugtickets fliegen plötzlich die Fäuste.

Ich frage die Umstehenden, ob sie den Song Imagine kennen. Keiner von ihnen kennt den Text von John Lennon gut genug, um ihn mitsingen zu können, so fangen wir an das Lied zu summen.

Neben mir steht eine Familie, die zurück nach London will, sie haben einen Gepäckwagen dabei, auf dem ihre Habseligkeiten stehen. Ich bitte sie, mir den Wagen für einen kurzen Moment zur Verfügung zu stellen, steige ein und hebe meine Hand mit erhobenem Zeige- und Mittelfinger. Schalom, Frieden.

Um mich herum sehe ich Hände in die Luft gehen, immer weiter zieht sich der Kreis durch die Menge, die meisten machen mit, und indem sie sich für einen Moment wieder bewusst auf die Energie des Friedens konzentrieren, werden sie ruhig. Die Stimmung entspannt sich für einige Augenblicke wieder spürbar.

Plötzlich geht für mich alles ganz schnell: Ich habe ein Ticket nach Frankfurt in der Hand und um 17 Uhr hebt die Lufthansa-Maschine ab und der Pilot des Airbus gibt durch: Sie sind in Sicherheit.

Ich sitze am Fenster und blicke auf die leeren Strassen Kairos und spüre, wie mir die Tränen kommen. Eine grosse Traurigkeit überkommt mich. In diesem Moment schreibe ich diese Gefühle meiner Erschöpfung, meinem Mitgefühl und meiner Verbundenheit mit diesem Land zu und weiss noch nicht, dass meine ägyptische Katze in diesem Moment von einem Auto überfahren wird.

Später werde ich erfahren, wie liebevoll sich mein Lebenspartner und meine Tochter um sie gekümmert haben, ich danke euch beiden von ganzem Herzen.

Endlich in Frankfurt angekommen, bekomme ich ein Hotelzimmer und ein Ticket für den Flug am nächsten Morgen nach Zürich.

 

Mittwoch, 2. Februar 11

Lukas, mein Sohn, holt mich am Flughafen in Zürich ab und nach einem gemeinsamen Essen besuchen wir meinen Lebensgefährten in seinem Geschäft. Dort erfahre ich, dass Tigi eingeschläfert werden muss, ihr ganzes Becken ist zertrümmert. Endlich zu Hause angekommen, sitze ich mit meinem Sohn am Tisch und höre ein vertrautes Kratzen an der Tür, „meine“ Katze ist da, um sich von mir zu verabschieden. Sie hat ihren Körper in dem Moment verlassen, als ich zuhause ankam.

 

Nachwort:

Ich möchte keine Minute dieser Reise missen, ich fühlte mich so stark und beschützt und danke allen, die mich von Herzen unterstützt haben. Ich wurde getragen und begleitet, habe mich mit unzähligen fremden Menschen auf den Flughäfen und Ausflügen unterhalten und jeder hat jedem geholfen, so gut er konnte.

In dieser Zeit durfte ich vielen herzlichen und liebenswerten Menschen begegnen und auch glückliche und unvergessliche Momente erleben. Das bewusste Verankern von Lichtsäulen, gefüllt mit den Energien von Liebe, Frieden, Heilung und Freiheit, beschäftigte mich fast rund um die Uhr.

Ich fühle mich auch in Ägypten sehr zu Hause und werde auf jeden Fall wiederkommen. Neben meinen Gebeten für den Weltfrieden und die Situation in Nordafrika lasse ich jeden Abend Kerzen als Zeichen der Verbundenheit und Solidarität brennen. Es ist jetzt wichtiger denn je, dass wir als Menschen begreifen, dass wir alle eins sind. Die Zeit des Wandels durch alle Schichten und Situationen hindurch ist gekommen, die Menschheit ist dabei, die Geschichte neu zu schreiben. Die Bedeutung der Liebe, des persönlichen freien Willens, der Selbstverantwortung und des Respekts, jedem und allem gegenüber, soll und darf jetzt gelebt werden. Von Herz zu Herz, von Licht zu Licht.

Barbara