Die Familienreise in den Orient im Jahr 1985


Eine Reise durch Nordafrika

 

1985, kurz bevor die Kinder schulpflichtig wurden, unternahmen mein Ex-Partner und ich eine aussergewöhnliche Reise durch die faszinierenden Landschaften Nordafrikas. Unsere Reisebegleiter waren meine Tochter Tamara und mein Sohn Lukas, und gemeinsam begaben wir uns in einem Wohnmobil auf ein einmaliges Abenteuer.

 

Von der Schweiz aus fuhren wir über Frankreich nach Italien. Unvergessen ist der Ausritt in der Camargue, Tamara war damals fast fünf Jahre alt und Lukas vier. Lukas war zusammen mit meinem Expartner auf einem Pferd und Tamara ritt allein, laut singend und strahlend. Hei Pipi Langstrumpf war damals ihr Lieblingslied. Unterwegs bestaunten wir die malerischen Sehenswürdigkeiten und die abwechslungsreichen Landschaften, die sich vor unseren Augen auftaten. In Genua bestiegen wir eine Fähre, die uns über das Mittelmeer nach Tunis bringen sollte, unserem ersten Ziel in Nordafrika.

 

In Tunesien angekommen, wurden wir sofort von der pulsierenden Energie und dem reichen kulturellen Erbe des Landes gefangen genommen. Einen Monat lang tauchten wir in die lokalen Traditionen ein, erkundeten antike Ruinen und liessen uns von den köstlichen Aromen der tunesischen Küche verwöhnen. Von den belebten Märkten in Tunis bis zu den ruhigen Stränden von Hammamet bot uns jeder Winkel dieses wunderschönen Landes ein neues Abenteuer.

 

Nach vier Wochen war unser Entdeckungsdrang noch nicht gestillt und so setzten wir unsere Reise fort, fuhren durch Algerien und überquerten die Grenze nach Marokko. Im zauberhaften Marokko nahm unsere Reise eine unerwartete Wendung, als wir in der pulsierenden Stadt Oujda ankamen. Da es mein 25. Geburtstag war, suchten wir nach dem perfekten Hotel, um diesen besonderen Anlass zu feiern. Wir wussten nicht, dass diese scheinbar banale Suche uns zu einer der unvergesslichsten Freundschaften unseres Lebens führen würde.

Während wir uns zu einem köstlichen Abendessen zusammensetzten, lernten wir Nashet und Mohammed kennen, zwei Menschen, die uns zu liebenswerten Begleitern und Seelenverwandten werden sollten. Mohammed, ein reisender Apotheker, strahlte eine Wärme und Weisheit aus, die uns sofort in ihren Bann zog. Seine Frau Nashet war ein Leuchtturm an Anmut und Ausstrahlung, ihre Augen funkelten vor Lebensfreude. Ihre drei Kinder waren bei ihnen und ihr Lachen erfüllte die Luft und brachte sofort Freude und Harmonie in unseren Abend.

 

Von dem Moment an, als wir unsere ersten Worte wechselten, war klar, dass eine unbeschreibliche Verbindung entstanden war. Das Gespräch verlief so mühelos, als würden wir uns schon unser ganzes Leben lang kennen. Wir tauschten Geschichten, Träume und Hoffnungen aus und fanden Trost in der Vertrautheit unserer gemeinsamen Erfahrungen.

 

Im Laufe des Abends fanden wir heraus, dass Nashet und Mohammed aus der pulsierenden Stadt Casablanca kamen, einem unserer nächsten Ziele. Mit grosser Freude luden sie uns zu sich nach Hause ein - eine Geste, die unsere Herzen mit Vorfreude und Dankbarkeit erfüllte.

 

Nach wenigen Tagen waren wir in der wunderschönen Stadt Casablanca und wurden von der Familie mit offenen Armen empfangen. Als wir ihre Wohnung mitten in der Stadt betraten, wurden wir vom Duft marokkanischer Gewürze und dem harmonischen Klang von Lachen und Gesprächen empfangen.

 

Für die nächsten neun Monate wurde Marokko unser neues Zuhause. Die Landschaften veränderten sich vor unseren Augen, je tiefer wir in dieses bezaubernde Land vordrangen. Wir durchquerten das majestätische Atlasgebirge, staunten über den goldenen Sand der Sahara und schlenderten durch die Strassen der Königsstädte.

 

Unsere Sinne wurden durch die Vielfalt der Geräusche, Gerüche und Farben, die uns umgaben, angeregt. In den belebten Medinas, wo die Luft erfüllt war vom berauschenden Duft der Gewürze und dem Echo der Händler, wurde um den besten Preis gefeilscht. Die komplizierte Architektur der Moscheen und die bunten Wandteppiche versetzten uns in eine andere Zeit.

 

Wir suchten uns ein Haus zur Miete, das Wohnmobil war zwar perfekt zum Reisen, aber es war an der Zeit, wieder mehr Platz zu haben. Wir entschieden uns für den ruhigen Küstenort Bouznika, der zwischen den geschäftigen Städten Casablanca und Rabat liegt. Wir fanden das perfekte Daheim, welches auf die Bedürfnisse unserer Familie zugeschnitten war. Es hatte einen grossen Garten, geräumige Innenräume und war nur zwei Gehminuten vom wunderschönen Meer entfernt.

 

Das Haus in Bouznika wurde schnell zur neuen Heimat für unsere Familie. Der abenteuerlustige Lukas fand Freude in den felsigen Klippen, wo er meinen Piratengeschichten lauschte und sich vorstellte, selbst einer zu sein. Seine Schwester Tamara schloss sich an, spielte mit ihm und erfand ihre eigenen fantasievollen Abenteuer.

 

Das Lachen und Echo ihrer Geschichten erfüllten mein Herz, während die Kinder stundenlang die Ecken und Winkel der Küstenlandschaft erkundeten. Die Meeresbrise trug ihre unschuldige Freude mit sich, vermischte sie mit dem salzigen Geruch und schuf Erinnerungen, die sich für immer in unsere Herzen einbrennen würden.

 

Diese Zeit war ein Kapitel in unserem Leben, das uns als Familie enger zusammenrücken liess. Sie bot Erfahrungen, in der wir die Schönheit des Augenblicks genossen und die Gesellschaft des anderen schätzten. In der Umgebung von Bouznika erlebten wir den Zauber der Kindheit und die Freude der Kameradschaft und knüpften Bande, die ein Leben lang halten sollten.

 

In den folgenden Wochen liessen wir uns von unseren neuen Freunden in die Traditionen der marokkanischen Kultur einführen. Gemeinsam verloren wir uns im Labyrinth der Medina und feilschten um Schätze zwischen bunten Wandteppichen und verzierten Schmuckstücken. Wir liessen uns Couscous, Tagine und die süssen Köstlichkeiten der marokkanischen Konditorei schmecken und genossen jeden Bissen. Auch die Kinder untereinander wurden Freunde und genossen die gemeinsamen Ausflüge.

 

Aber es waren nicht nur die Abenteuer und Erlebnisse, die unsere gemeinsame Zeit so wertvoll machten, sondern auch die nicht greifbare Verbindung, die über die Sprache und die kulturellen Unterschiede hinausging. Durch ihre aufrichtige Wärme und Grosszügigkeit haben uns Nashet und Mohammed die wahre marokkanische Gastfreundschaft vermittelt und uns gelehrt, wie wichtig Verwandtschaft ist und wie schön es ist, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein.

 

Das Band, das wir mit Nashet, Mohammed und ihrer Familie geknüpft hatten, machte unsere Reise zu etwas viel Grösserem als der blossen Erkundung eines fremden Landes. Sie wurde zu einem Beweis für die Kraft menschlicher Bindungen und erinnerte uns daran, welch tiefgreifende Auswirkungen zufällige Begegnungen und gemeinsame Erfahrungen auf unser Leben haben können.

 

Obwohl uns Welten trennen, erinnert mich diese Freundschaft an die unermesslichen Schätze, die uns das Reisen schenken kann - nicht nur in Form von atemberaubenden Landschaften und faszinierenden Sehenswürdigkeiten, sondern auch in Form von Verbindungen, die Zeit und Entfernung überdauern und unser Leben für immer bereichern.

 

Wir kamen sehr schnell in Kontakt mit den Einheimischen und durften mehr über ihre Bräuche und Lebensweise zu erfahren. Wir wurden zum Essen in die Häuser von Bauern eingeladen, verbrachten Zeit mit Angestellten des Königshauses, waren Zeugen einer Taufzeremonie und wohnten als Gäste einer traditionellen Hochzeit. Diese Momente voller Lachen und Herzlichkeit  haben einen unauslöschlichen Eindruck in meinem Herzen hinterlassen, die Zeit und Entfernung überdauern.

 

Als wir uns dem Ende unserer Reise durch Nordafrika näherten, konnten wir nicht umhin, über das grosse Privileg und die Dankbarkeit nachzudenken, die wir für die Gelegenheit empfanden, die Schönheit und Vielfalt dieser Region zu erleben. Unsere gemeinsamen Erlebnisse haben damals nicht nur unseren Zusammenhalt als Familie gestärkt, sondern uns auch eine lebenslange Wertschätzung für andere Kulturen und die Bedeutung von Weltoffenheit vermittelt.

 

Seit wir in die Schweiz zurück kehrten, trage ich den Geist Marokkos mit mir und bin für immer dankbar für all die herzlichen Begegnungen. Diese werden mich immer daran erinnern, dass es beim Reisen nicht nur um die Orte geht, die wir erkunden, sondern auch um die Beziehungen, die wir unterwegs knüpfen.

 

Noch heute, 38 Jahre später, inspirieren und prägen mich die Geschichten und Erfahrungen, die wir in Nordafrika gemacht haben, und erinnern an die Schönheit und Wunder, die jenseits unserer vertrauten Umgebung existieren.